WISSEN, MEINUNGEN & TRENDS
Nachdem das Stimmungsbarometer in deutschen Pflegeheimen 2023 einen historischen Tiefpunkt erreichte, scheint sich die Lage 2025 wieder etwas stabilisiert zu haben. Ein Blick auf die Zahlen der aktuellen Curacon-Analyse zeigt jedoch, dass noch immer 37 Prozent der befragten Einrichtungen von einer Verschlechterung des Jahresergebnisses sowie ihrer Liquidität berichten. Während manche Einrichtungen sich langsam erholen, sogar Gewinne erzielen konnten, kämpfen andere weiterhin mit wirtschaftlichen Herausforderungen. Besonders Unterschiede auf Bundesland-Ebene führen zu verzerrten Bedingungen für Betreiber. Es braucht strukturelle Veränderungen, wie beispielsweise einen gesicherten Wagniszuschlag, um die Pflege langfristig zu stabilisieren.
Während Risiko- und Gewinnzuschläge in der Privatwirtschaft selbstverständlich sind, müssen Pflegeheime weiter mit Kostenträgern verhandeln, um in stabilen Zeiten Überschüsse erwirtschaften und damit den eigenen Versorgungsauftrag sicherstellen zu können. Hohe Risiken ergeben sich vor allem aus dem zunehmenden Fachkräftemangel, einer niedrigen Auslastung und nicht refinanzierter Digitalisierungsmaßnahmen – aber auch durch länderspezifische Rahmenbedingungen.
Rechtliche Bedingungen
Nach § 84 Abs. 2 Satz 4 SGB XI sollen Pflegesätze die Kosten unter Berücksichtigung eines angemessenen Unternehmerrisikos decken. Das Bundessozialgericht hat außerdem 2023 die Vergütung des Unternehmerrisikos für Unterkunft und Verpflegung bestätigt. Trotz der neuen Spielräume bei der Bemessung der Gewinnchance und der verbesserten Verhandlungsposition von Einrichtungen, wurden keine genauen Regelungen zur Höhe und zur Ermittlung eines solchen Risikoausgleichs oder Gewinns festgelegt. Eine Orientierung bieten Berechnungen einer Studie des Instituts für europäische Gesundheits- und Sozialwirtschaft. Auf Grundlage dieser Studie wurden in Schiedsstellenurteilen in Schleswig-Holstein und Hamburg Wagniszuschläge von ca. 5 Prozent des Gesamtbudgets angesetzt. Auch die Schiedsstellen in Sachsen und Baden-Württemberg sowie das Landessozialgericht Brandenburg sehen eine Umsatzrendite von zwei bis vier Prozent als notwendig an, um langfristig wirtschaftlich stabil zu bleiben.
Große Unterschiede auf Länderebene
In der Realität ist die Pflegebranche auf Landesebene jedoch mit starken Differenzierungen bei Wagniszuschlägen und Gewinn konfrontiert. Der Anspruch auf Unternehmergewinn ist zwar rechtlich bestätigt, aber weiterhin nicht in allen Landesrahmenverträgen vereinbart und wird daher überwiegend einzelfallbezogen quantifiziert. Die Höhe des Zuschlags orientiert sich dabei hauptsächlich an belastbaren Risikoanalysen sowie externen Vergleichen und Schiedsstellenurteilen, teilweise wird ein Zuschlag gar nicht gewährt.
Während einige Bundesländer, u.a. Bremen, Bayern, Brandenburg und Hessen, bereits explizit einen Wagniszuschlag in ihren Pflegesatzkalkulationen ausweisen und dabei bis zu drei Prozent des Gesamtbudgets anerkennen, tun sich andere Bundesländer, wie Nordrhein-Westfalen, selbst mit einer impliziten Berücksichtigung schwer. Ein Wagniszuschlag ist hier in der Pflegesatzkalkulation nicht vorgesehen und, trotz des 2023 gefällten BSG-Urteils, werden hier sehr strikte Einzelfallbegründungen gefordert. In Niedersachsen werden zwar pauschal zwei Prozent als „sonstiger Zuschlag“ gewährt, allerdings nur auf Pflegepersonalkosten, nicht auf das Gesamtbudget.
In Baden-Württemberg wurden 2024 erstmals seit zehn Jahren neue Bewertungen von Risiken festgelegt – mehrheitlich gegen die Stimmen der Kostenträger. Je nach Größe und Auslastung der Einrichtung wird in der Kalkulation ein Zuschlag von 2,25 bis 2,75 Prozent statt zuvor 1,5 Prozent angesetzt. Kann eine Einrichtung nachvollziehbar das Risiko einer prospektiven Auslastung unter 96,5Prozent begründen, ist eine weitere Steigerung des Zuschlags um bis zu 1 Prozent möglich. Ein Meilenstein, trotz der ursprünglich höheren Forderung der Leistungserbringer.
Die Absenkung der kalkulatorischen Auslastung wird seitens der Kostenträger häufig schon als ausreichender Gewinnzuschlag betrachtet, dabei ist selbst eine Auslastung von 96,5 Prozent für die meisten Einrichtungen kaum erreichbar. Zudem zeichnet sich ein Wagniszuschlag per Definition dadurch aus, dass nicht kalkulierbare Risiken abgedeckt werden, nicht dadurch, dass Einrichtungen sich bereits in einer schwierigen wirtschaftlichen Situation befinden müssen. Ein ebenfalls notwendiger Unternehmergewinn ist in den genannten Risiko-/Wagniszuschlägen noch gar nicht berücksichtigt.
Spielräume erweitern
Die Folgen dieser Verhandlungspraxis sind ungleiche Voraussetzungen für wirtschaftliches Handeln und Planen innerhalb eines regulierten Marktes, in dem Betreiber zunehmend Einrichtungen in ganz Deutschland führen. Durch gesetzliche Veränderungen wie die Tarifpflicht bleiben Betreibern nur noch wenig Spielräume, um finanzielle Risiken auszugleichen, langfristig handlungsfähig zu bleiben und auch Investitionen tätigen zu können. Ziel muss eine Verankerung eines transparenten Anspruchs auf Wagniszuschläge in Pflegesatzverhandlungen sein, um den Strukturwandel in der Pflege nachhaltig zu begleiten.
Ihre Ansprechpartnerin für Fragen rund um Refinanzierung und Betriebsentwicklung ist:
Anna Steffens
Teamleitung Refinanzierung

Sprechen Sie mich gerne an:
Mit unserem umfangreichen Länder-Know-how unterstützen wir von IMMOTISS Sie dabei, Potenziale zu realisieren und eröffnen Ihnen eine fundierte Entscheidungsgrundlage – damit Sie wirtschaftlich handlungsfähig bleiben!
                
					
										
        

    
        
  
  
  
  
